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Sexy Klimaschutz

Interview mit Sven Plöger

Sven Plöger stammt aus Sankt Augustin bei Bonn. Getreu dem rheinischen Lebensmotto "Et hätt noch immer jot jegange" wird er nicht müde zu betonen, dass die Menschheit noch Zeit hat, beim Klimaschutz die Kurve zu kriegen, wenn die Menschen den Klimaschutz nicht nur wollen, sondern auch entsprechend handeln.

Interview: Claus Gorgs

Sven Plöger im Interview

Herr Plöger, 2018 begann mit heftigen Stürmen, Starkregen und Überschwemmungen. Ist das für einen Meteorologen ein idealer Jahresauftakt?
Es war schon viel geboten, das stimmt. Ich liebe ja wechselhaftes Wetter, deshalb lebe ich auch gern in Mitteleuropa. Dauernd ändert sich alles, ständig passiert etwas Spannendes. Jeden Tag blauer Himmel und Sonnenschein – etwas Langweiligeres ist ja kaum denkbar. Und Unwetter haben auch eine Ästhetik – solange niemand zu Schaden kommt. Und sie sind eine Herausforderung für die Vorhersage, die ich als Meteorologe gern annehme. Tragisch ist es natürlich, wenn es Todesfälle gibt wie bei „Friederike“. Das wünscht sich niemand.

Sie selbst waren auch von dem schwersten Sturm seit Jahren betroffen.
Ich war mit dem Zug auf dem Weg nach Essen und saß dann in Münster fest. Ein Dach wurde abgedeckt und war auf die Oberleitung gekracht, es gab keinen Strom. Das bedeutete nicht nur, dass es nicht mehr weiterging, es gab auch keine Heizung, keine Toilettenspülung, nichts. Es wurde langsam kälter und spätestens nach drei Stunden musste fast jeder mal wohin. Das war auch ein olfaktorisches Erlebnis, kann ich Ihnen sagen.

Täuscht der Eindruck oder erleben wir immer häufiger Extremwetterlagen?
Wir hatten Anfang 2018 in kurzer Zeit wirklich sehr viele extreme Ereignisse. Nimmt man die vergangenen zehn, 15 Jahre als Maßstab, kann man klar feststellen: Ja, extreme Wetterlagen haben zugenommen. Will man Aussagen über die Entwicklung des Klimas machen, ist jedoch der Durchschnitt der letzten 30 Jahre entscheidend. Zieht man diesen als Vergleich heran, bewegt sich unser Wetter immer noch im Bereich der normalen Variabilität – allerdings sehr nah an der oberen Grenze.

Das heißt?
Ich gehe davon aus, dass wir künftig mehr Extremwetterlagen sehen werden und bald auch im langfristigen Mittel von einer Klimaverschiebung sprechen können. Momentan gibt die Statistik das noch nicht eindeutig her.

Haben wir nur häufiger Unwetter oder nimmt auch deren Intensität zu?
Das kommt drauf an. Ganz klar ist es zum Beispiel bei Hitze: In den 1950er Jahren hatten wir in Deutschland im Flächenmittel drei Tage im Jahr, an denen die landesweite Durchschnittstemperatur über 30 Grad stieg. Heute sind wir bei acht Tagen. Das ist fast eine Verdreifachung. Und gerade Hitze wird von vielen unterschätzt, nach dem Motto: Schön warm, ist doch nicht schlimm. Dabei ist keine andere Extremwetterlage für so viele Todesfälle verantwortlich: Kreislaufversagen, dehydrierte Menschen – wirklich gefährlich.

Was ist mit Sturm? Viele Leute haben das Gefühl, dass die Orkane immer heftiger werden.
Tendenziell stimmt das. Die Wissenschaft geht davon aus, dass wir bei Stürmen mit einer Verstärkung rechnen müssen, aber nicht unbedingt mit einer Häufung. Das gilt nicht nur für die klassischen Winterstürme hier bei uns, sondern auch für Hurrikane in der Karibik oder Taifune in Asien.

Kann ein extremes Wetterereignis überall auftreten oder gibt es regionale Unterschiede?
Es kann einen nahezu überall treffen, aber es gibt Schwerpunkte. Grundsätzlich haben wir in Deutschland häufig Westwindlagen, das heißt feuchte Luft, die vom Atlantik zu uns kommt. Wenn da nun plötzlich Berge im Weg stehen, wie etwa der Schwarzwald, dann prallen die Wolken gegen den Hang und werden dort regelrecht ausgequetscht – es regnet. Stauniederschläge. Wenn man sich die Niederschlagskarten anschaut, kann man anhand der Regenintensität die Mittelgebirge sehr gut erkennen.

Wie gut ist Starkregen vorherzusagen?
Eine interessante Frage. Ich denke viel darüber nach, wie man die Starkregenvorhersage verbessern könnte. Denn: Worin wir sehr gut sind, ist, eine Region anzugeben, in der das Potenzial für Starkregen besteht. Das funktioniert wunderbar, damit liegen wir fast immer richtig. Nur: Wo genau liegen die einzelnen Gewitter? Das ist ein Riesenproblem. Starkregenereignisse sind sehr lokal, die haben vielleicht eine Breite von 20 Kilometern. Wenn ich aber zuvor ein Gebiet von 100 Kilometern ausgemacht habe, bleibt es im größten Teil davon trocken. Ich weiß nur nicht in welchem. Wir können den Menschen am Vortag immer nur eine Region mit Potenzial für Unwetter nennen, nie den genauen Ort. Sobald das Gewitter dann da ist, kann man beim sogenannten Nowcasting sehr gut eingrenzen und sehr präzise Warnungen abgeben. Aber eben nicht am Vortag...

Müssen wir uns mit den Folgen des Klimawandels abfinden?
Wir müssen eine Doppelstrategie fahren: Anpassen und Vermeiden. Die Zunahme von Starkregen ist Fakt, da wird ein Land wie Deutschland erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen. Gleichzeitig bleibt die Notwendigkeit, etwas gegen die weitere Erwärmung der Atmosphäre zu tun. Das bedeutet vor allem, den CO2-Ausstoß zu senken. Dazu müssen wir das, was wir auf nationaler und internationaler Bühne beschlossen haben, dann aber auch machen.

Als Experte wissen Sie mehr über den Klimawandels als die meisten. Macht Sie das entspannter oder besorgter?
(überlegt lange) Besorgter. Aber nicht unbedingt wegen der Klimaveränderungen an sich, sondern vor allem wegen der Kommunikationsprobleme bei dem Thema. Es gibt viel zu viel Unwissen und Halbwissen. Daraus entsteht viel Emotionalität, die oft die Fakten in den Hintergrund drängt. Denn solange man etwas nicht so genau versteht, gibt es auch nicht den Willen und die Bereitschaft, deswegen sein Verhalten zu verändern. Drum müssen der Klimawandel und seine Auswirkungen besser erklärt werden und die politischen Ziele dürfen nicht einfach “gerissen werden“ um dann anschließend immer ambitioniertere Ziele in eine immer fernere Zukunft zu verlegen.