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Interview – Linus Hofrichter

Jedes Krankenhaus sollte ein Unikat sein

Flexibel, großzügig und bezahlbar sollte das Krankenhaus der Zukunft sein, sagt Linus Hofrichter. Der Pfälzer Architekt ist einer der erfolgreichsten Klinikbauer im deutschsprachigen Raum.

Im Interview erklärt er, welche Ideen ihn leiten – und warum Pflegeroboter schon heute eine Rolle bei der Krankenhausplanung spielen.

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Der Klinikbaumeister

Professor Linus Hofrichter ist einer von vier geschäftsführenden Gesellschaftern der ash Sander Hofrichter Architekten GmbH mit Sitz in Ludwigshafen. Das Unternehmen hat 240 Beschäftigte an mehreren deutschen Standorten sowie eine Tochtergesellschaft in der Schweiz. Das inhabergeführte Büro blickt auf eine Tradition von mehr als 90 Jahren zurück und ist auf Gesundheits- und Bildungsbauten spezialisiert. Zudem lehrt Hofrichter Krankenhausbauplanung an der Technischen Hochschule Mittelhessen in Gießen.

Linus Hofrichter - © Anke Ackermann

Professor Hofrichter, viele Kliniken strahlen einen eher morbiden Charme aus oder erinnern an sozialistischen Plattenbau.
Muss das so sein?

Es gibt eine Menge Krankenhäuser, die wegen Geldmangels unter einem enormem Sanierungsstau leiden. Das wirkt sich auf Optik und Materialqualität aus. Seit rund zehn Jahren entstehen aber immer mehr Neubauten. Grund ist der Konzentrationsprozess in der Gesundheitsbranche. Während es früher in einem Landkreis bis zu acht Kliniken gab, geht man heute dazu über, zwei bis drei größere Kliniken pro Region zu unterhalten. Das heißt, alte Standorte werden geschlossen und neue gebaut.

Kann man alte Kliniken nicht sanieren?
Manchmal ist das die bessere Option. Unser Büro hat viele 40 bis 50 Jahre alte Gebäude entkernt und durchsaniert. Das spart häufig Geld und Energie. In Heidelberg sanieren wir gerade die Kopfklinik, einen Bau aus den Achtzigerjahren. Die Gebäude aus dieser Zeit haben oft eine angenehme Großzügigkeit: Die Flure sind breit, die Räume groß. Wird der Umbau intelligent geplant, ist das Ergebnis besser als ein Neubau.

Wie sollte ein modernes Krankenhaus aussehen?
Wohin geht der Trend?

In der Klinikarchitektur darf es keine Trends geben. Jedes Krankenhaus sollte ein Unikat sein und sich der Umgebung anpassen. Das neue Universitätsspital in Zürich ist sehr kompakt, weil wir es mitten auf dem beengtem Universitätscampus an einem steilen Berg errichten, aber in hoch attraktiver Lage inmitten der Stadt. Der Neubau des Klinikums Lörrach hat eine Struktur, die an Finger erinnert, die in unterschiedliche Richtungen zeigen. Jeder Patient soll aus dem Fenster den Schwarzwald sehen können. Der besondere Ort schafft die Identifikation.

Trotzdem sind die meisten Abläufe in Krankenhäusern ähnlich. Wie drückt sich das in der Architektur aus?
Es gibt wichtige wiederkehrende Prozessabläufe. Der Notarztwagen sollte auf der Ebene ankommen, auf der sich die Notaufnahme und die radiologische Diagnostik befinden. Das Stockwerk darüber bietet sich für Operationssäle und Intensivmedizin an. Noch weiter oben liegen die Patientenzimmer mit möglichst hotelartiger Ausstattung.

Wie gehen Sie bei der Planung vor?
Wir reden viel mit dem medizinischen und dem pflegenden Personal. Denn diese Menschen müssen viele Jahre in dem Haus arbeiten und sich mit dem Bau identifizieren. Doch deren Ansichten variieren. Architekten müssen deshalb die Abläufe im Krankenhaus gut kennen. Dabei geht es auch um logistische Prozesse. Ein gut durchdachtes System ist notwendig, damit Infusionen, Verbände oder Tabletten im richtigen Moment am richtigen Ort zur Verfügung stehen. In Neubauten wie Zürich gibt es Förderanlagen, die sich durch das ganze Haus ziehen. Digital gesteuert, wird für jeden Patienten eine Box mit den benötigten Produkten just in time zusammengestellt und vollautomatisch an den gewünschten Ort gebracht.

Krankenhäuser sind teuer, und Geld ist knapp. Kann Architektur dazu beitragen, Kliniken bezahlbar zu halten?
Da haben wir als Architekten nur begrenzten Spielraum. Es gibt Vorschriften und Normen mit strengen Mindestanforderungen. Das kostet viel Geld. Wir bauen ja weder goldene Wasserhähne ein, noch nehmen wir die teuersten Bodenbeläge (lacht). Die Kosten entstehen in Kliniken dort, wo niemand hinschauen kann, etwa bei Elektroinstallationen, IT oder Lüftungstechnik. Brandschutz ist ebenfalls teuer. Auch die Hygiene wird aus aktuellem Anlass wichtiger.

Wie beugt man am besten Viren und Keimen vor?
Desinfizierbarkeit und Reinigungsfähigkeit spielen eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Materialien. Arbeitsplatten und Böden müssen glatt sein und dürfen keine Fugen haben. Die Pandemie hat dazu geführt, dass über Distanz zwischen den Patienten wieder mehr diskutiert wird. In der Schweiz baut man 3,50 Meter breite Krankenhausflure, in Deutschland liegt das Maß bei 2,20 Meter. Die Zimmergrößen nimmt man auch kritisch in den Blick, ebenso die Belegung.

Einzelzimmer für alle?
Oft gibt es noch Mehrbettzimmer in Kliniken. Ich bin aber ein Befürworter von Einzelzimmern, nicht nur wegen des niedrigeren Ansteckungsrisikos. Sie machen den Menschen schneller gesund, Angehörige können im Zimmer übernachten. Die Belegung von Mehrbettzimmern muss nach Geschlechtern getrennt erfolgen, infektiöse oder schwerstkranke Menschen müssen ohnehin ein Einzelzimmer haben. Zudem können Untersuchungen im Zimmer stattfinden, ohne die Mitpatienten zu stören.

Wie wählen Sie die Materialien aus?
Wichtig ist, ein gestalterisches Gesamtkonzept zu schaffen. Nur wenn das stimmt, fühlen sich Menschen darin wohl. Dann folgt die Auswahl der Materialien. Von Vorteil ist, wenn uns die Hersteller Produkte anbieten, die für viele Einsatzbereiche geeignet sind, robust, preiswert und zugleich ästhetisch. Linoleum ist ein gutes Beispiel dafür.

Nachhaltigkeit wird immer wichtiger.
Was heißt das für den Bau von Kliniken?

Auch hier spielt die Materialauswahl eine wichtige Rolle. Eine umweltverträgliche Herstellung ist ebenso wichtig wie die langfristige Haltbarkeit. Aber das allein reicht nicht. Wir planen schon seit Jahren Krankenhäuser mit intelligenter Kälteproduktion oder Wärmerückgewinnung. Bei den von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen zertifizierten Krankenhäusern und Green Hospitals gehörten wir deutschlandweit zu den Vorreitern.

Sind Krankenhäuser Energiefresser?
Gute Hygiene und Behaglichkeit führen zu einer schnelleren und besseren Heilung. In Operationsabteilungen oder Intensiv-pflegebereichen muss man zum Beispiel maschinell kühlen und die Luft hochwertig aufbereiten. Das ist aufwendig, aber intelligente, gut geplante Systeme helfen, Energie zu sparen.
Auf Normalpflegestationen kann man mit sanften Kühlsystemen sehr umweltverträglich für Patienten und Mitarbeitende gute Raumkonditionen schaffen.

Kann Architektur die Heilung fördern?
Das Wichtigste für die Heilung des Patienten sind die Pflegenden und die Ärzteschaft. Architektur kann ein räumliches Umfeld schaffen, das die Heilung und die Aufenthaltsqualität fördert, etwa mit möglichst viel Tageslicht und angenehmen Materialien und Farben. Ein schöner Ausblick ins Grüne ist ebenfalls wichtig. Auch Akustik und die Vermeidung von Lärm spielen nachweislich eine Rolle im Heilungsprozess.

Fachleute sagen, Kliniken sollten künftig flexibel nutzbar sein. Stimmen Sie zu?
Ja. Wir müssen Gebäude so planen, dass sie in ihrem Lebenszyklus Anpassungen zulassen. Ausreichend große Achsraster und vernünftig hohe Geschosse können viele Nutzungen ermöglichen. Der Trend zur ambulanten Behandlung wird die stationären Bereiche verändern. Flexibilität und Variabilität sind für die Zukunft enorm wichtig.

Vielleicht werden eines Tages Roboter die Kranken pflegen. Stellen Sie sich bei der Planung bereits darauf ein?
Man sollte heute schon darauf achten, dass auch selbstfahrende Systeme die Korridore nutzen können. Das heißt, Flure und Gänge sollten ausreichend breit gebaut werden. Die Digitalisierung muss mitgedacht werden. Die Lagerhaltung wird sich in den nächsten Jahren im Krankenhaus maßgeblich ändern. Digitale, aus der Industrie adaptierte Systeme werden verstärkt Einzug in die Kliniken halten. Dazu gehört auch die Robotik.

Sie lehren Krankenhausbauplanung an der Technischen Hochschule Mittelhessen. Gibt es genug Nachwuchs?
Der Krankenhausbau steht trotz seiner Bedeutung bei den Studierenden nicht an erster Stelle der Beliebtheitsskala, obwohl die Berufsaussichten brillant sind. Ich möchte daher meine Erfahrungen noch möglichst lange an junge Kolleginnen und Kollegen weitergeben und der Jugend zeigen, welch faszinierende Aufgabe die Beschäftigung mit Gesundheitsimmobilien ist. Ich kann auf mehr als 30 Berufsjahre zurückblicken – und es war keinen Tag langweilig.